am Institut für Wirtschaftsgeographie
Teilbereiche der Wirtschafts- und Sozialgeographie unter besonderer Berücksichtigung der Bevölkerungsgeographie
Leiter: Dr. Thomas Polensky
Sommersemester 2000
Das Modell des demographischen Übergangs und seine
prognostischen Aspekte
Basilautzkis, Lars
Fachrichtung: Wirtschaftsgeographie
Fachsemester 2
Abgabetermin: 29.06.2000
Inhaltsverzeichnis
1. Bevölkerungswachstum und die natürliche Bevölkerungsbewegung
1.1 Mortalität
1.2 Fertilität
2. Das Modell des demographischen Übergangs
3. Übertragung des Modells auf die Entwicklungsländer
4. Kritik am Modell des demographischen Übergangs
5. Der Transformationsprozess am Beispiel Deutschlands
6. Der Transformationsprozess am Beispiel Schwedens
7. Der Transformationsprozess am Beispiel Ägyptens
8. Prognostische Aspekte des Modells
9. Möglichkeiten der „Entschärfung“ des Bevölkerungswachstums
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Wachstum der Weltbevölkerung 1750 – 2100
Abbildung 2: Modell des demographischen Übergangs in den Industrieländern
Abbildung 3: Modell des demographischen Übergangs in den Entwicklungsländern
Abbildung 4: A variable model of the demographic transition
Abbildung 5: Idealtypischer Verlauf des demographischen Übergangs
Abbildung 6: Typologie sozioökonomischer und demographischer Übergangsstufen
Abbildung 7: Unterschiede des demographischen Übergangs in den Industrie- und Entwicklungsländern
Abbildung 8: Stellung der Großräume im demographischen Übergang um 1980
Abbildung 10: Verlauf des demographischen Übergangs in Schweden
Abbildung 11: Verlauf des demographischen Übergangs in Ägypten
Abbildung 12: Prognose der natürlichen Bevölkerungsentwicklung
nach der Komponentenmethode
1.) Bevölkerungswachstum und die natürliche
Bevölkerungsbewegung
Das Bevölkerungswachstum und somit auch die Zunahme der Weltbevölkerung blieb seit den „Anfängen“ der Menschheit äußerst gering. Erst mit dem Einsetzten der Industrialisierung, zunächst in England, später auch in den anderen europäischen Ländern, kam es zu einem raschen Anstieg der Bevölkerung auf dem europäischen Kontinent.
Unter „natürlicher Bevölkerungsbewegung“ versteht man die
Bevölkerungsveränderung durch Geburten- und Sterbefälle.
Die unter 1.2 beschriebene rohe Geburtenrate in Verbindung mit der unter
1.1 beschriebenen rohen Sterberate ergibt das Ausmaß des natürlichen
Bevölkerungswachstums.
Um die Gründe der Bevölkerungsveränderung verstehen
zu können, ist es notwendig, das Zusammenwirken zwischen Mortalität
und Fertilität zu analysieren.
Da die Mortalität der maßgebliche Faktor des Bevölkerungswachstums
ist (vgl. Schmid 1976, S. 122) und auch der demographische Übergang
mit einem Abfallen der Sterberaten einsetzt, wir in dieser Ausarbeitung
zunächst auf die Sterblichkeit eingegangen.
Als Mortalität bezeichnet man die Sterblichkeitsrate, sprich das
Verhältnis der Zahl der Todesfälle innerhalb eines bestimmten
Zeitraums zur Gesamtheit der berücksichtigten Personen. (vgl. Leser
1997, S.532)
Um die Sterblichkeit zu messen, wird im allgemeinen die rohe Sterberate
verwendet. Sie setzt, innerhalb einer bestimmten Zeitspanne (für gewöhnlich
ein Jahr), die Todesfälle in Beziehung zur durchschnittlichen Bevölkerung
des betrachteten Raumes. (vgl. Kuls 1993, S. 127 ff). In anderen Worten:
Ein Nachteil bei dieser Ermittlung der Mortalität ist jedoch das
die Bevölkerung, auf die sich die Sterbefälle beziehen, nicht
nach Alter, Geschlecht bzw. anderen Kriterien differenziert wird. So kann
es z.B. bei einem hohen Anteil alter Menschen in einem Gebiet, verglichen
mit dem Landesdurchschnitt, zu relativ hohen Sterblichkeitsziffern kommen.
Kurz gesagt, ohne die Berücksichtigung von Alters-, Geschlechts- und
anderen Unterschieden, die die Bevölkerungsumstände betreffen,
kann es zu einer verzerrten Darstellung der Sterblichkeitsrate kommen.
Um mögliche Verzerrungen zu vermeiden gibt es die altersspezifische
Sterberate, die Säuglingssterblichkeitsrate sowie die standardisierte
Sterblichkeitsrate. (vgl. Bähr et. al. 1992, S. 329 ff)
Zur Beurteilung der gegenwärtigen Sterblichkeitsverhältnisse
wird jedoch in internationalen Vergleichen, aufgrund mangelnder zuverlässiger
Daten, auf die rohe Sterberate zurückgegriffen. Aus diesem Grund und
um das Thema der Ausarbeitung nicht zu verlieren, wird auf die anderen
Errechnungsmethoden nicht näher eingegangen.
Im Modell des demographischen Übergangs setzt zunächst ein
rascher Rückgang der Sterblichkeitsrate ein, was somit als Ausgangspunkt
des Modells bezeichnet werden kann. Das Einsetzen und die Ursachen für
den Sterblichkeitsrückgang sind jedoch in den Industrienationen und
den Entwicklungsländern unterschiedlich zu betrachten.
Für die Gründe des Mortalitätsrückgangs in den Industrieländern sind zwei wesentliche Faktoren auszumachen. Zum einen sozioökonomische sowie soziokulturelle Einflüsse, zum anderen medizinische Faktoren.
Fortschritte auf dem medizinischen Sektor führten jedoch erst zu
Beginn des 20. Jahrhunderts zu nachhaltigen Verbesserungen. Die erfolgreiche
Bekämpfung von Infektionskrankheiten durch Antibiotika und großflächiger
Impfungen, wie zum Beispiel die Pockenschutzimpfung, trugen zu einer höheren
Überlebenschance bei. Wie aus Abbildung 2 ersichtlich ist, begann
der Rückgang der Sterbeziffer jedoch bereits Mitte des 18. Jahrhunderts.
Die Ursache hierfür sind in der Verbesserung der Ernährungsbasis
und der
Nahrungsverteilung aufgrund der Erleichterung des Transports durch
die Bahn bzw. Dampfschifffahrt sowie in verbesserten hygienischen Bedingungen
(verbesserte Wasserver- und entsorgung) zu sehen. Auch Modifikationen im
Bereich der Kleidung und der Wohnsituation trugen zu einem Sinken der Sterberate
bei. (vgl. Geographie und Schule 1991 S. 6 ff)
In den Entwicklungsländern hingegen ist, wie aus Abbildung 3 ersichtlich,
eine schnell und kontinuierlich fallende Sterberate festzustellen. Die
Hauptursache für den rapiden Rückgang ist die Transferierung
der medizinischen Errungenschaften der Industrienationen. Diese führten
zu einer massiven Abnahme im Bereich der Kinder- und Säuglingssterblichkeit.
Durch die rasche Verbreitung der modernen medizinischen Mittel sowie deren
Einsatz zur Bekämpfung von Epidemien und Seuchen, wurde auch die Lebenserwartung
erhöht. Durch weltweite Hilfsaktionen, initiiert von Organisationen
wie der UNO, Unicef oder der World Health Organization konnte auch Hungersnöte
und Überschwemmungen eingedämmt werden. Eines der größten
Probleme ist bis heute die Krankheitsübertragung aufgrund schlechter
Wasserqualität insbesondere in Ballungsräumen. Trotz gesunkener
Sterberaten ist die Sterbeziffer in den Entwicklungsländern noch nicht
auf dem Niveau der Industriestaaten (vgl. Bähr 1997 S. 188 ff). Ein
weiteres Problem in den Entwicklungsländern ist auch die Ausbreitung
von HIV. Obgleich die Dunkelziffer der Erkrankung schwer einzuschätzen
ist, führt die Krankheit zu steigenden Sterberaten und auch zu einem
möglichen Rückgang der Fertilität. In einigen Regionen wie
z.B. Botsuana, wo mittlerweile bereits jeder vierte Erwachsene mit dem
Virus infiziert ist, kommt es sogar zu einem negativen Bevölkerungswachstum.
Im „AIDS-Belt“, zwischen der Zentralafrikanischen Republik und Südafrika,
sind vor allem die Staaten Simbabwe, Sambia, Südafrika, Kenia, Namibia,
Botsuana sowie Malawi besonders stark von der Ausbreitung des HIV Erregers
betroffen. (vgl. Baratta 1999, S.1293)
Als Fertilität bezeichnet man die Geburtenrate, sprich das Verhältnis der Zahl der Lebendgeborenen innerhalb eines bestimmten Zeitraums (meist ein Jahr) zur Gesamtheit der berücksichtigten Personen. (vgl. Leser 1997, S.244)
Der Begriff Fertilität wird in dieser Ausarbeitung synonym mit
den Begriffen Natalität, Fruchtbarkeit, Gebürtigkeit usw. gesetzt.
In der Literatur wird gelegentlich zwischen den Begriffen differenziert.
Zudem ist die Darstellung der Fertilität als komplizierter anzusehen
als die der Mortalität, da eine gebärfähige Frau mehr als
nur ein Kind zur Welt bringen kann, während der Tod einen einmaligen
Vorgang darstellt. Des weiteren spielt der Faktor der Eheschließungen
eine entscheidende Rolle, da in den meisten Kulturkreisen die Heirat Voraussetzung
für die Geburt ist. (vgl. Bähr 1997, S. 181)
Analog zur rohen Sterberate lässt sich auch eine rohe Geburtenrate ermitteln. Dieser auch als Geborenenziffer bezeichneter Maßstab errechnet sich folgender maßen:
Einer der größten Nachteile dieser Berechnungsmethode ist, dass nicht zwischen dem Anteil der gebärfähigen Frauen an der Bevölkerung unterschieden wird. So kann es zu verhältnismäßig hohen bzw. niedrigen Geburtenzahlen in einer Region aufgrund der Altersverteilung kommen. Die rohe Geburtenrate dient jedoch wegen ihrer verhältnismäßig einfachen Bestimmung, wie auch die rohe Sterberate, als Grundlage für den demographischen Übergang. (Leib/Mertins , S .52 ff)
Um eine genauere Bestimmung der Fruchtbarkeit durchzuführen, muss die Alters- und Geschlechtstruktur der Bevölkerung berücksichtigt werden. Am Fortpflanzungsprozess sind ausschließlich Frauen im gebärfähigen Alter beteiligt, also zwischen dem 15 bis 49 Lebensjahr. Deshalb bezieht man die Zahl der Lebendgeborenen nicht wie bei der rohen Geburtenrate auf die gesamte Bevölkerung, sondern nur noch auf die Frauen im gebärfähigen Alter. Des weiteren kann man die Fruchtbarkeitsrate unter Miteinbeziehung der Verheiratetenquote, des Heiratsalters, der Ehedauer, der ehelichen sowie der unehelichen Fruchtbarkeit errechnen. (Bähr 1997, S. 183 ff)
Der Rückgang der Geburtenzahlen setzt im Modell des demographischen Übergangs deutlich später ein als die Verminderung der Sterberate. Es muss jedoch auch bei den Geburtenzahlen eine Differenzierung in Industrie- und Entwicklungsländern erfolgen. Während in den Industrieländern ein Rückgang der Geburtenrate im Zeitraum zwischen 1850 und 1900 einsetzt (vgl. Abb. 2), beginnt die Verringerung in den Entwicklungsländern erst um 1940, bzw. ist bis heute in einigen Ländern ausgeblieben (vgl. Abb. 3). Besonders auffällig sind die hohen Geburtenraten in den meisten afrikanischen Ländern, wie auch in den vorwiegend islamisch geprägten Staaten.
Die Höhe der Geburtenrate hängt neben dem Familienstand (Verheirateten-,
Ledigenquote) von dem Geschlechterverhältnis sowie vom Altersaufbau
der Bevölkerung ab. Zudem wirken sich politische, soziale und wirtschaftliche
Aspekte ebenfalls deutlich auf die Geburtenzahlen aus.
Die Ursachen des Geburtenrückgangs sind demnach als sehr vielseitig
anzusehen. Es lässt sich keine generelle Ursache ausmachen, vielmehr
spielen eine Reihe von Faktoren eine Rolle. Um den Rahmen der Arbeit nicht
zu überschreiten bzw. nicht zu weit vom Thema abzukommen, sind die
mir am wichtigsten erscheinenden Gründe in den folgenden Theorieansätzen
zusammengefasst.
Die Verstädterungstheorie geht davon aus, dass mit zunehmendem
Verstädterungsgrad eines Landes die Geburtenrate abnimmt. In anderen
Worten: die Geburtenrate ist vor allem in Großstädten niedriger
und nimmt stärker ab als in ländlichen Gebieten. (vgl. Kuls,
1993, S. 120 ff) In einigen Ländern war jedoch während der frühen
Phase der Verstädterung ein gegenläufiger Trend auszumachen,
der sich aber mit dem Voranschreiten der Verstädterung in der Regel
umkehrte (vgl. z.B. El Salvador). Erklären lässt sich der vorübergehende
Fertilitätsanstieg durch das Festhalten an ruralen Bevölkerungsweisen
und durch eine starke Zuwanderung von jungen Menschen. (vgl. Leib/
Mertins S. 60)
Eine weiterer Erklärungsansatz ist die sogenannte Wohlstandstheorie.
Sie geht von der Annahme aus, dass die Geburtenzahlen schichtenspezifisch
differieren. In den unteren sozialen Schichten ist die Fertilität
demnach höher als in der Oberschicht. Dies wird vor allem während
der wirtschaftlichen Depressionsphase in der zweiten Hälfte des 19.
Jahrhunderts deutlich. Die Mittelschicht und die untere Oberschicht versuchen
erstmals durch Geburtenregelung den gesellschaftlichen und sozialen Status
aufrechtzuerhalten und die Ausbildung ihrer Kinder sicherzustellen. Gegen
Ende des 19. Jahrhunderts bzw. zu Beginn des 20. Jahrhunderts setzt der
Geburtenrückgang auch in den unteren sozialen Schichten ein. Unsichere
Arbeitsbedingungen infolge von Weltwirtschaftskrisen, gestiegene Ausbildungs-
und Wohnkosten sowie ein zusätzlicher Einkommensverlust durch das
Verbot der Kinderarbeit, sind hierbei die maßgeblichen Faktoren.
(vgl. Schmidt 1984, S. 62 ff.)
Die Modernisierungstheorie bezieht sich auf die zweite Phase
des Geburtenrückgangs in den Industrienationen. Die Ursachen des Geburtenrückgangs
gleichen oftmals denen der Wohlstandstheorie. Somit werden Kinder als ökonomische
„Aufwandsfaktoren“ und Hemmnisse sozialer Mobilität betrachtet. Ausschlaggebend
sind das gestiegene Freizeit- bzw. Konsumbedürfnis, die einen höheren
Lebensstandard signalisieren. Zudem wirken sich erhöhte Boden- bzw.
Mietpreise negativ auf die Geburtenzahlen aus. (vgl. Leib/ Mertins S. 61)
Ein entscheidender, wenn nicht mit der bedeutendste Grund für
den Rückgang der Geburten ist die Emanzipation der Frau in
den Industrienationen. Die veränderte Stellung der Frau in der Gesellschaft
sowie das gestiegene Bildungsniveau führen zu vermehrter Berufstätigkeit
der Frau. Dadurch wird die traditionelle Gebär- und Erziehungsfunktion
der Frau durch die nach Karriere strebende emanzipierte Frau ersetzt. Ein
weiterer Faktor, der die Emanzipation der Frau vorangetrieben hat, war
der vermehrte Einsatz von empfängnisverhütenden Mitteln, wie
z.B. das Aufkommen der Anti-Baby-Pille. (vgl. Leib/ Mertins S.61) So ist
auch die Anhebung der sozialen Stellung der Frau in den Entwicklungsländern
durch Bildungsfördernde Maßnahmen mit einer der Hauptansatzpunkte
um dem starken Bevölkerungsanstieg in diesen Regionen entgegenzuwirken.
Ein weiterer Faktor unterschiedlicher Fruchtbarkeit ist die jeweilige
Religion bzw. Ethnizität, die starken Einfluss auf das generative
Verhalten ausüben. Katholisch geprägte Bevölkerungen waren,
um die Jahrhundertwende, in den Industrieländern verglichen mit den
Protestanten fruchtbarer. Dies lässt sich auf den starken Einfluss
der Kirche und der damit verbundenen Stellung des Papstes gegen Verhütungsmittel,
Abtreibung usw., zurückführen. Gegen Ende des 20. Jahrhunderts
sind jedoch kaum noch Unterschiede zwischen den beiden christlichen Konfessionen
auszumachen. Andere Konfessionen, wie z.B. der Islam, in denen Kinderreichtum
als religiöses Gesetz abgeleitet wird und die Stellung der Frau immer
noch untergeordnet ist, weisen gleichbeleibende, oder sogar ansteigende
Geburtenzahlen auf.
Eine weiter Aspekt ist oftmals auch, die hohe Fertilität von Minoritäten
eines Landes, vor allem, wenn sie fremden Kulturkreisen angehören.
(vgl. Leib/ Mertins, S. 62)
Des weiteren ist der ökonomische Entwicklungsstand ausschlaggebend
für die Gebrutenzahlen. So weisen in der Regel Länder mit niedrigerem
Pro-Kopf-Einkommen und vorwiegend agrarischer Prägung, bedeutend höhere
Geburtenrate auf, als die Industrienationen. Vor allem in agrarischen Wirtschaftsformen
sind Kinder billige Arbeitskräfte. Fehlende Sozialsysteme machen Kinder
auch als Altersvorsorge unentbehrlich. (vgl. Kuls 1993, S. 123 ff.)
Das Heiratsalter, die Zunahme des Ledigenanteils an der Bevölkerung,
politische sowie soziale Strukturen sind ebenfalls bedeutende Faktoren,
die sich auf die Geburtenziffern auswirken. Alles in allem lässt sich
jedoch feststellen, dass keine direkte, bzw. alleinige Hauptursache des
Geburtenrückgangs auszumachen ist. Vielmehr spielen verschiedenartige
Einflüsse eine Rolle, die von Fall zu Fall, sprich von Land zu Land,
beträchtlich variieren können.
2.) Das Modell des demographischen Übergangs
Der demographische Übergang ist begründet in der europäischen,
nordamerikanischen sowie der australischen Bevölkerungsentwicklung.
Die Begriffsprägung stammt aus den frühen 20er Jahren. Thompson
formulierte 1929 und Notestein 1945 erstmals das Modell des demographischen
Übergangs. (vgl. Woods 1982, S.159)
Der Ausgangspunkt des Modells ist ein geringer Bevölkerungszuwachs,
bedingt durch hohe Sterbe- und Geburtenziffern. Am Ende des Übergangs
steht ebenfalls ein geringes Bevölkerungswachstum, bis hin zur leichten
Bevölkerungsabnahme in Folge von Sterbeüberschüssen. Den
Transformationsprozess zwischen diesen beiden Phasen bezeichnet man als
demographischen Übergang. Mit anderen Worten ist der demographische
Übergang der Transformationsprozess von hohen zu niedrigen Geburten-
und Sterberaten.
Auslöser des Prozesses ist das starke absinken der Sterbeziffer
bedingt durch gestiegene Lebenserwartungen.
Der demographische Übergang stellt in den meisten europäisch
geprägten Ländern eine parallele Entwicklung zum Industrialisierungsprozess
dar. So hat der demographische Übergang wie die Industrialisierung
ihren Ursprung in England. Am Ende der demographischen Transformation steht
meist auch der Übergang von einer agrarisch geprägten Wirtschaftsform
zur industriellen.
Des weiteren hat der demographische Übergang eine Verschiebung
der Altersstruktur zur Folge. Während zu Beginn des Prozesses hohe
Sterbe- und Geburtenraten vorherrschen, die Lebenserwartung relativ gering
ist und die Bevölkerung vorwiegend „jung“ ist, steht am Ende des Übergangs
eine deutlich gestiegene Lebenserwartung. Die gestiegene Lebenserwartung
wiederum resultiert aus der deutlich gesenkten Sterberate. Aufgrund der
ebenfalls gefallenen Geburtenrate kommt es zu einer geringeren Reproduktion
der Bevölkerung, was zu einer „älteren“ bzw. „überalterten“
Bevölkerung führt. Zudem hat das Modell auch eine Verschiebung
der Sexualproportionen zur Folge. Überwiegt in der Anfangsphase des
Modells noch der Anteil der männlichen Bevölkerung, aufgrund
der Übersterblichkeit der Frauen, z.B. infolge von Schwangerschaftskomplikationen,
so herrscht aufgrund der höheren Lebenserwartung der weiblichen Bevölkerung,
am Ende ein Frauenüberschuss vor (vgl. Bähr 1997 S. 249 ff).
Der Transformationsprozess ist jedoch nicht in allen europäischen
Ländern gleich verlaufen (vgl. Kuls 1993, S. 145 ff). Begonnen hat
er, wie oben bereits erwähnt in England. Hier brauchte der Übergang
ca. 200 Jahre, während er in Ländern wie den Niederlanden oder
Deutschland nur 90 bzw. 70 Jahre dauerte. Erklären lässt sich
die Abweichung dadurch, dass je später die Industrialisierung einsetzte,
desto schneller war sie vollzogen.
Zurück zum klassischen Modell des demographischen Übergangs.
Das Modell lässt sich, wie in Abbildung 5 stark schematisiert dargestellt,
in fünf Phasen aufteilen.
3.) Die mitteltransformative Phase
In der mitteltransformativen oder auch Umschwungphase genannt, zeichnet sich ein weiterer Sterblichkeitsrückgang ab. Im Verlauf dieses Entwicklungsabschnittes werden maximale Wachstumsraten der Bevölkerung erreicht bzw. überschritten. Jedoch ist nicht nur ein Rückgang der Sterberate, sondern auch der Geburten zu erkennen. (vgl. Woods 1982, S. 161 ff)
4.) Die spättransformative Phase
Kennzeichnend für die spättransformative bzw. die Phase des Einlenkens ist ein rascher Abfall des Geburtenniveaus. Des weiteren sinkt die Sterberate nur noch leicht und pendelt sich allmählich auf einem, im Vergleich zur prätransformativen Phase, niedrigeren Niveau ein. Beide Faktoren zusammen bewirken ein nun deutlich geringeres Bevölkerungswachstum als noch in der vorangegangenen Periode des Übergangs, sprich die Bevölkerungsschere beginnt sich wieder zu schließen. (vgl. Woods 1982, S. 161 ff)
5.) Die posttransformative Phase
Die posttransformative, oder auch Phase des Ausklingens, ist durch das
verharren der Sterberate auf niedrigem Niveau sowie durch das gleichzeitige
Einpendeln der Geburtenrate ebenfalls auf niedrigem Level gekennzeichnet.
Bei den Sterberaten ist in einigen Fällen sogar ein leichter Anstieg
aufgrund des veränderten Altersaufbaus auszumachen. Beide, Geburten-
und Sterberate, befinden sich auf einem deutlich niedrigeren Niveau als
zu Beginn des Überganges. Das Bevölkerungswachstum ist ähnlich
gering wie in der prätransformativen Phase. In einigen Fällen,
wie z.B. in Deutschland, ist es sogar zu einem Sterbeüberschuss, sprich
zu einem negativen Bevölkerungswachstum gekommen.
Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass die Phasen eins und
fünf sowie die Phasen zwei und vier des Übergangs spiegelverkehrt
zueinander verlaufen. (vgl. Woods 1982, S. 161 ff)
Parallel zu den einzelnen Phasen des Übergangs hat SCHMID 1984
die Entwicklung von der vorindustriellen zur industriellen Gesellschaft
in einer Graphik dargestellt (vgl. Abb. 6).
Hierbei weist er den fünf Phasen des demographischen Übergangs
einzelne Entwicklungsstufen des Industrialisierungsprozesses zu. Ausgangspunkt
ist die vorindustrielle Gesellschaft, die agrarisch geprägt ist und
einen niedrigen Bildungsstand der Bevölkerung aufweist. Ihr folgen
die Frühphase der Entwicklung, in der neue Anbautechniken zu steigenden
Ernteerträgen führen, die mittlere Phase der Entwicklung, die
durch den „wirtschaftlichen take-off“ gekennzeichnet ist und schließlich
die Spätphase der Entwicklung, in der die Einführung sozialer
Sicherungssysteme beginnt. Am Ende der Entwicklung steht die Industrielle
Gesellschaft.
Das Modell des demographischen Übergangs dient in den westlichen
Industrieländern zum einen der idealtypischen Beschreibung der im
zeitlichen Verlauf festgestellten Veränderungen von Mortalität
und Fertilität. Zum anderen lassen sich anhand des Modells die einzelnen
Länder der Erde hinsichtlich ihres demographischen Entwicklungsstandes
typisieren (vgl. Anhang I). Des weiteren findet das Modell Anwendung in
der Analyse der Ursachen der Transformation, in Zusammenhang mit den sozioökonomischen
Entwicklung der jeweiligen Länder. Mit eine der wichtigsten Funktionen
des Modells, auf die in Gliederungspunkt 8 näher eingegangen wird,
ist jedoch die Prognose der zukünftigen Bevölkerungsentwicklung,
auf der gesamten Erde, in den einzelnen Ländern sowie in einzelnen
Großräumen. (Bähr 1997, S. 250)
3.) Übertragung des Modells auf die Entwicklungsländer
Die Übertragung des demographischen Übergangs auf die Entwicklungsländer
stellt sich als äußerst diffizil dar. Reduziert auf die Beschreibungsfunktion
des Modells, abgesehen von den regionalen Besonderheiten, sind drei grundsätzliche
Unterschiede zwischen den Industrie- und Entwicklungsländern auszumachen.
(vgl. Bähr 1991, S.4)
Dennoch lassen sich anhand des Modells die einzelnen Länder im Hinblick auf die demographische Situation klassifizieren, was die Darstellung in Anhang I zeigt. Hier werden die Länder der Erde hinsichtlich ihres Standes im demographischen Übergang für die Jahre 1960 und 1985 gegenübergestellt. Auffällig ist vor allem, dass die Transformation in Europa, Nordamerika, Japan und Australien bereits 1960 abgeschlossen war, während sich China in der Phase mit dem größten Bevölkerungszuwachs befand. Die afrikanischen Staaten sowie Indien standen 1960 noch am Anfang des Übergangs. Im Vergleich dazu befinden sich Indien und einige afrikanische Staaten 1985 in der Phase des stärksten Bevölkerungszuwachses.
4.) Kritik am Modell des demographischen Übergangs
Hauptkritikpunkte am Modell des demographischen Übergangs sind
vor allem, dass die Theorie vornehmlich eine Verallgemeinerung der westlichen
Bevölkerungsentwicklung ist, die auf andere Kulturkreise übertragen
wird. Des weiteren gibt es keine allgemeingültigen Aussagen über
die Dauer und die Ausprägung des Bevölkerungswachstums. So dauert
der Transformationsprozess in den Entwicklungsländern „ungewöhnlich“
lang. Die Scherenöffnung zwischen Geburten- und Sterberaten erfolgt
auch in einem bisher nicht gekannten Masse.
Zudem bleibt die Frage ungeklärt, ob der Transformationsprozess
stetig und somit ohne Unterbrechung erfolgt und ob der Übergang einmalig
sowie unwiderruflich ist. (vgl. Hauser 1990, S. 28)
5.) Der Transformationsprozess am Beispiel Deutschlands
6.) Der Transformationsprozess am Beispiel Schwedens
Schweden gilt als Musterbeispiel für den demographischen Übergangsprozess in den Industrieländern. Das liegt zum einen daran, dass Schweden, aufgrund seiner Neutralität, kaum Kriegsopfer zu beklagen hatte. Zum anderen wurde schon früh mit zuverlässigen Aufzeichnungen der Geburten- und Sterbeziffern begonnen. (vgl. Schmid 1948, S. 29)
7.) Der Transformationsprozess am Beispiel Ägyptens
Wie aus Abbildung 11 zu erkennen ist, befindet sich Ägypten inmitten des Transformationsprozesses. Trotz erheblicher staatlicher Maßnahmen, durch die Senkung der Geburtenraten den Transformationsprozess zu beschleunigen, ist noch kein Ende des Übergangs abzusehen. Die positive Grundeinstellung, der überwiegend islamischen Bevölkerung, gegenüber hohen Kinderzahlen wirken kontraproduktiv gegenüber den staatlichen Maßnahmen.
8.) Prognostische Aspekte des Modells
Grundsätzlich lassen sich zwei Typen von Bevölkerungsvorausschätzungen
unterscheiden, zum einen die Bevölkerungsprojektion, zum anderen die
Bevölkerungsprognose oder Bevölkerungsvorhersage. Aufgrund der
Themenstellung der Ausfertigung wird lediglich auf die Bevölkerungsprognose
eingegangen.
Bevölkerungsprognosen oder Bevölkerungsvorhersagen dienen
der Ermittlung von Bevölkerungszahlen sowie ihrer Zusammensetzung
zu einem zukünftigen Zeitpunkt. Ausgehend von vermuteten Entwicklungen
einzelner Bestimmungsfaktoren, nimmt die Wahrscheinlichkeit mit größer
werdendem Prognosezeitraum ab.
Mit anderen Worten wollen Prognosen einen künftigen Zustand möglichst
realitätsgetreu abbilden. Je länger dabei die Zeitspanne der
Prognose ist, desto ungenauer ist die Voraussage. Deshalb ist es sinnvoll
Vorhersagen maximal nur über einen mittleren Zeitraum zu treffen,
da kurzfristige Prognosen eher zutreffen, als längerfristige.
Es gibt drei unterschiedliche Prognosemöglichkeiten:
· Der ex post Methode dienen Daten vergangener Zeiträume als Grundlage zur Bevölkerungsvorausschätzung. Kausalzusammenhänge werden mit dieser Konzeption analysiert und Schlussfolgerungen, soweit sie zulässig sind, gezogen.
· Bei der ex ante oder Status-quo-Prognose wird versucht zukünftige Daten der Bevölkerungsentwicklung zu erforschen und diese in die Vorhersage mit einzubeziehen. Das Problem dieser Methode ist, dass sich das Verhalten der Individuen schlecht voraussagen lässt, deshalb werden die vorherrschenden Verhaltensweisen als konstant angenommen.
· Die letzte Prognosemöglichkeit ist die der Analogie-Konzeption. Dabei werden bereits bekannte Entwicklungsabläufe auf andere Länder übertragen, wie z.B. der Verlauf des demographischen Übergangs in den Industrienationen auf die Entwicklungsländer transferiert wird. Dabei werden gleiche oder ähnliche Ausgangsbedingungen in den einzelnen Ländern unterstellt, was durchaus nicht immer der Fall ist. (vgl. Bähr 1997, S.268)
9.) Möglichkeiten der „Entschärfung“ des Bevölkerungswachstums
Der demographische Übergang ist nicht nur der Übergang von
hohen zu niedrigen Sterbe- und Geburtenraten, sondern er verläuft
oftmals parallel zur Transformation von der Agrar- zur Industriegesellschaft.
So stehen auch viele Entwicklungsländer nicht nur am Anfang des
Übergangs, sondern auch im Anfangsstadium der Industrialisierung.
Während vor allem in Afrika und Asien, die Überbevölkerung
Probleme hervorruft, stellt das negative natürliche Bevölkerungswachstum
einigen europäischen Ländern die Regierungen vor neue Aufgaben.
Die Bevölkerung überaltert aufgrund der niedrigen Fertilität
und den hohen Lebenserwartungen. In Deutschland zum Beispiel, birgt die
Überalterung das Problem der Finanzierung der Renten.
Um den massiven Bevölkerungszuwachs in den Entwicklungs- und Schwellenländern
aufzuhalten, wurden bisher im Rahmen von politischen Maßnahmen lediglich
Verhütungsmittel zur Verfügung gestellt. Aufgrund des schlechten
Bildungsniveaus und der damit verbundenen schlechten Aufklärung in
Bezug auf Verhütungsmittel, konnten jedoch keine oder nur mäßige
Erfolge erzielt werden.
Ein neuer Ansatzpunkt versucht, die Stellung der Frau in den Entwicklungsländern
zu stärken. Dabei ist es wichtig, den Frauen den Zugang zu Bildungseinrichtungen
und anschließend in das Berufsleben zu ermöglichen. Steigende
Bildung, berufliche Perspektiven sowie ein höheres Einkommen wirken
der Fertilität entgegen.
Dies kann meiner Meinung nach jedoch nur geschehen, wenn der Einfluss
von Religion, gerade in islamischen Staaten, verringert wird. Kinderreichtum
ist in einigen Ländern religiös und traditionell verankert. Zudem
muss die Industrialisierung „vorangetrieben“ werden, um durch steigende
Einkommen soziale Sicherungssysteme einführen zu können.
Die Zukunft der Bevölkerungsentwicklung wird zunächst von
Indien geprägt. Indien wird China in naher Zukunft von der Position
des bevölkerungsreichsten Staates der Erde verdrängen. Der größte
Bevölkerungszuwachs ist jedoch in einigen Jahren in den afrikanischen
Ländern zu erwarten, die oftmals noch am Anfang des demographischen
Übergangsprozesses stehen. Die Gesamtbevölkerung der Erde wird,
laut einer Prognose der Vereinten Nationen, im Jahr 2050 auf 8,9 Milliarden
(vgl. Baratta 1999, S. 1292) Menschen ansteigen.
Bähr, Jürgen (1997): Bevölkerungsgeographie. 3. Auflage. Stuttgart.
Bähr, J., Jentsch, Chr. & Kuls, W. (1992): Bevölkerungsgeographie. Berlin.
Baratta, von Mario (1999): Fischer Weltalmanach 2000. Frankfurt am Main
Geographie und Schule, Februar 1991, Heft 69 Bevölkerungsentwicklung.
Hauser, Jürg A. (1990): Bevölkerungs- und Umweltprobleme der Dritten Welt. Band 1. Bern und Stuttgart.
Kuls, W. (1993): Bevölkerungsgeographie. Stuttgart.
Kujawa, Richard (2000): The Demographic Transition: An example.
- Cultural Dimensions: Sweden, An Early Example of Population Change;
http://academics.smcvt.edu/geography/sweden.htm
Leib, Jürgen & Mertins, Günther (1983): Bevölkerungsgeographie (=Das geographische Seminar). München.
Leser, Hartmut et al (1997): Diercke - Wörterbuch Allgemeine Geographie. München
Schmid, Josef (1984): Bevölkerung und soziale Entwicklung. Wiesbaden.
Woods, Robert (1982): Theoretical Population Geography. New York.